Privatschriftliche Testamente von einem juristischen Laien sorgen häufig für erhebliche Praxisprobleme, weil sie ungenau formuliert sind und damit Auslegungsprobleme verursachen. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte nun in einer aktuellen Entscheidung mit einem in mehrfacher Hinsicht ungenauen privatschriftlichen Testament zu tun und hat eine Reihe von Grundsätzen für die Ermittlung des tatsächlichen Erblasserwillens aufgestellt.
Ausgangsfall: Ein verwitweter und kinderloser Erblasser hinterlässt zum Zeitpunkt seines Todes ein privatschriftliches Testament. Seine Lebensgefährtin beantragt die Ausstellung eines Erbscheins, das sie zur Alleinerbin ausweisen soll. Das Amtsgericht hat dem Antrag der Lebensgefährtin auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin stattgegeben und den Widerspruch eines am Erbscheinverfahren Beteiligten zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde lag dem Oberlandesgericht Saarbrücken zur Entscheidung vor, welche im Ergebnis abgelehnt wurde.
1.Schritt Testamentsauslegung: Die Testamentsauslegung dient ausschließlich der Erforschung des Erblasserwillens
Zunächst stellte das Oberlandesgericht klar, dass die Auslegung des Testaments gemäß §§ 2084, 133 BGB ausschließlich den Zweck zu verfolgen hat, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln (BGH, Urteil v. 7.10.1992, IV ZR 160/91). Dabei ist zu berücksichtigen, ob ein Erblasser erkennbar aufgrund seiner Sprach- und Grammatikkenntnisse mit seinen Worten nicht exakt das zum Ausdruck gebracht habe, was er eigentlich wollte. Es muss daher darauf abgestellt werden wie sprach- und wortgewandt ein Erblasser ist und was er damit ausgedrückt haben könnte. Um den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen müssen in einem solchen Auslegungsfall durch Auslegung (§ 133 BGB) Wortsinn der vom Erblasser verwendeten Begrifflichkeiten unter Heranziehung aller bekannten Begleitumstände hinterfragt werden (BGH, Urteil v. 4. 6. 2009, IV ZR 202/07).
2. Schritt gesetzliche Auslegungsregel
Eine wesentliche Bedeutung bei der Auslegung des Testaments im konkreten Fall maß das Oberlandesgericht der Vorschrift des § 2087 Abs. 2 BGB zu. Danach ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Erblasser eine mit einzelnen Vermögensgegenständen bedachte Person als Erbe einsetzen wollte, auch wenn er diese als Erbe bezeichnet hat. Im der Entscheidung zugrundeliegende Fall hat der Erblasser im Testament mehrfach von „vererben“ gesprochen und dabei sowohl seine Lebensgefährtin als auch Nichten und ein Neffe mit Gegenständen bedacht. Offenkundig hat der Erblasser jedoch nicht zwischen den rechtlichen Begriffen zwischen „Erben“ und „Vermächtnis“ unterschieden.
3. Schritt: Übertragung des wesentlichen Nachlassteils spricht gegen bloßen Vermächtnis
Nach der allein entscheidenden Vorstellung des Erblassers habe dieser seiner Lebensgefährtin bei der Nennung der Vermögensgegenstände Haus und Barvermögen bei einer Bank nämlich sein wesentliches Vermögen zugewandt und sie damit erkennbar als seine unmittelbare Rechtsnachfolgerin einsetzen wollen(BGH, Beschluss v. 12.7.2012, IV ZB 15/16). Bei den seinen Nichten und dem Neffen zugewandten Grundstücken handle es sich um einfache Grün- und Ackerflächen ohne einen – im Vergleich zu dem Hausgrundstück – ins Gewicht fallenden wesentlichen Wert.
4. Schritt: Umgangssprachlicher Begriff „Haus kann das gesamte Grundstück umfassen
Im Testament sprach der Erblasser vom Haus und nicht von dem gesamten Hausgrundstück. Nichte und Neffe leiteten daraus lediglich die Einräumung eines Nutzungsrechts ab. Das Oberlandesgericht sah dies jedoch anders. Mit der umgangssprachlichen Wortwahl „Haus“ habe der Erblasser erkennbar das Eigentum an den gesamten Anwesen einschließlich des Inventars auf seine Lebensgefährtin übertragen wollen. Auch ein sprachlich und juristisch nicht versierter Erblasser wähle umgangssprachlich andere Formulierungen, wenn er einer Person lediglich ein Nutzungsrecht einräumen wolle.
5. Schritt: Übertragung der Bestattungskosten als weiteres Indiz
Nach Auffassung des OLG spricht auch die Übertragung des gesamten Barvermögens und insbesondere die Übertragung der Verantwortlichkeit für seine Beisetzung und die Folgekosten wie zum Beispiel Grabpflege für die Vorstellung des Erblassers, dass seine Lebensgefährtin nach seinem Tode über den Nachlass verfügen und auch die Nachlassverbindlichkeiten, also u.a. die Bestattungskosten (§ 1968 BGB) als Nachlassinhaberin regeln solle.
6. Schritt: Übergehen einer nahen Verwandten kann Absicht sein
Die völlige Außerachtlassung der Schwester im Testament des Erblassers spricht nach Auffassung des OLG ebenfalls nicht gegen eine Einsetzung der Lebensgefährtin als Alleinerbin. Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Erblasser habe seine Schwester nicht von der Erbschaft ausschließen wollen, bewertete das OLG als rein spekulativ und durch keinerlei Tatsachenhintergrund belegt. Vielmehr sprächen sämtliche Indizien für das vom AG gefundene Ergebnis, dass der Erblasser seiner Lebensgefährtin sein wesentliches Vermögen übertragen und sie zur Alleinerbin einsetzen wollte, während er seinen Nichten und seinem Neffen lediglich wertmäßig eher geringfügige Vermächtnisse zugedacht habe.
Fazit: Wer ein privatschriftliches Testament errichten möchte, der sollte sich zumindest juristisch beraten lassen, damit das Testament nach Möglichkeit eindeutig formuliert ist und so ein späterer Streit um das Erbe vermieden wird.
Quelle: Saarländisches OLG, Beschluss v. 30.3.2022, 5 W 15/22