BGH über Erben beim Digitalen Nachlass

Der BGH hat in einem aktuellen Urteil eine wegweisende Entscheidung über die Rechte der Erben beim Digitalen Nachlass getroffen.

Jahrelanger Rechtsstreit

Ein Rechtsstreit zwischen Eltern einer verstorbenen Jugendlichen und dem Sozialen Netzwerk Facebook beschäftigt bereits seit mehreren Jahren die Gerichte. Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass die Eltern eines 15jährigen Mädchens, die im Jahr 2012 in einem U-Bahnhof ums Leben gekommen ist, sich vom Zugang zum Facebook-Account der verstorbenen Tochter Hinweise darauf erhoffen, ob sich ihre Tochter das Leben genommen haben könnte oder ob es sich um ein Unglücksfall handelte. In einer Grundsatzentscheidung im Jahr 2018 entschied der BGH, dass auch der Digitale Nachlass den Erben gehöre (BGH, Urt. v. 12.07., Az. III ZR 183/17). Facebook meinte dem Urteil in der Form ausreichend nachzukommen, indem es den Eltern ein unstrukturiertes 14.000 seitiges PDF-Dokument übergab. Die Eltern sahen dies anders und gingen dagegen gerichtlich vor.

Aktuelle BGH-Entscheidung zum Digitalen Nachlass

Nachdem der BGH in seiner Grundsatzentscheidung im Jahr 2018 bereits klarstellte, dass auch der Digitale Nachlass den Erben gehöre hat es nun den klargestellt, dass der „Zugang“ zu einem Sozialen Netzwerk sprachlich dahingehend zu verstehen ist, dass die Erben in den Herrschaftsbereich des Kontos „hineingehen“ können müssen. Die bloße Übermittlung der Inhalte in Form eines unstrukturierten, 14.000 seitigen PDF-Dokuments werde dieser Auslegung aber nicht gerecht. Der BGH stützt sich in seiner Urteilsbegründung auf den Grundsatz der Universalsukzession in § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach die Erben in das Vertragsverhältnis des Erblassers mit dem Sozialen Netzwerk eingetreten seien. Die Erben sind somit neue Berechtigte des Social-Media-Accounts und haben einen Primärleistungsanspruch auf „Zugang“ zu dem Benutzerkonto. Dieser „Zugang“ kann für die Erben nicht anders ausgestaltet werden als es für die Erblasserin selbst ausgestaltet war. Lediglich die aktive Nutzung des Kontos ist für die Erben untersagt.

Fazit

Es ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit mit diesem zweiten Grundsatzurteil des BGH nunmehr endgültig entschieden ist. Er stellt die Reichweite des Digitalen Nachlasses beim Erben klar. Für die Eltern des verstorbenen Mädchens bleibt zu hoffen, dass ihnen dies Gewissheit über die vorhandenen Unsicherheiten rund um den Tod der eigenen Tochter und letztlich etwas Seelenfrieden verschafft.

Quelle: BGH, Beschl. v. 27.08.2020, Az. III ZB30/20

Die Pressemitteilung des BGH finden Sie hier.